Die Klas­si­fi­zie­rung von Me­di­zin­pro­duk­ten ist von grund­le­gen­der Be­deu­tung für die Fest­le­gung Ihres re­gu­la­to­ri­schen Weges; folglich kann eine falsche Klas­si­fi­zie­rung kost­spie­lig sein und zu Verzögerungen bei behördlichen Ge­neh­mi­gun­gen führen. Die in der Europäischen Union (EU) um­ge­setz­te Medizinprodukteverordnung 2017/745 (MDR) be­schreibt, wie Me­di­zin­pro­duk­te anhand von Regeln klas­si­fi­ziert werden, die auf den mit dem Me­di­zin­pro­dukt ver­bun­de­nen re­gu­la­to­ri­schen Ver­pflich­tun­gen ba­sie­ren. Die Klas­si­fi­zie­rungs­re­geln sind in Anhang VIII der MDR zu finden. Dennoch kann die Na­vi­ga­ti­on durch den Klas­si­fi­zie­rungs­pfad eine Her­aus­for­de­rung sein, ins­be­son­de­re bei kom­ple­xen oder in­no­va­ti­ven Me­di­zin­pro­duk­ten. In diesem Artikel finden Sie In­for­ma­tio­nen über die ver­schie­de­nen Pro­dukt­klas­si­fi­zie­run­gen gemäß der MDR, die Her­aus­for­de­run­gen der Klas­si­fi­zie­rung und einige Bei­spie­le.
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MDR-Klassifizierung Criterien: Klasse I, IIa, IIb, III

Im Rahmen der MDR werden Medizinprodukte je nach Verwendungszweck und den damit verbundenen Risiken in vier Risikoklassen eingeteilt. Die Klassifizierungsregeln berücksichtigen Kriterien wie Invasivität, Dauer der Anwendung und potenzielle Schädigung von Patienten oder Anwendern und legen eine Risikoklasse fest. Hier finden Sie eine Aufschlüsselung der einzelnen Klassen:

Klas­se I

Klas­se I: Zu dieser Gruppe gehören Produkte mit geringem Risiko wie nicht-in­va­si­ve Pro­duk­te, z. B. Kran­ken­haus­bet­ten oder Verbände, oder invasive Werk­zeu­ge, die nur vorübergehend in Körperöffnungen ver­wen­det werden, wie z. B. zahnärztliche Ab­druck­ma­te­ria­li­en. Produkte der Klasse I können aktiv sein, wie z. B. Untersuchungslampen.

Für viele Produkte der Klasse I ist für die Konformitätserklärung keine Be­wer­tung durch eine benannte Stelle er­for­der­lich. Bei­spie­le hierfür sind me­di­zi­ni­sche Hand­schu­he und Zun­gen­spa­tel.

Die MDCG 2021-24 Guidance on the clas­si­fi­ca­ti­on of medical devices (Leit­li­ni­en zur Klas­si­fi­zie­rung von Me­di­zin­pro­duk­ten) legt jedoch drei Un­ter­klas­sen von Pro­duk­ten der Klasse I fest, für die eine Dritt­be­wer­tung durch eine benannte Stelle er­for­der­lich ist:

- Klasse Ir (wie­der­ver­wend­ba­re chir­ur­gi­sche In­stru­men­te): Diese Produkte (In­stru­men­te) sind dazu be­stimmt, nach ge­eig­ne­ten Ver­fah­ren zur Rei­ni­gung und Ste­ri­li­sa­ti­on mehrfach ver­wen­det zu werden. Eine benannte Stelle muss die Aspekte im Zu­sam­men­hang mit der Wie­der­ver­wen­dung des Produkts be­wer­ten, ins­be­son­de­re die Rei­ni­gung, Des­in­fek­ti­on, Ste­ri­li­sa­ti­on, Wartung und Funktionsprüfung sowie die ent­spre­chen­den Ge­brauchs­an­wei­sun­gen. Pin­zet­ten oder Skal­pel­le sind ein Beispiel für diese Un­ter­klas­se

- Klasse Is (Pro­duk­te, die in sterilem Zustand in den Verkehr gebracht wer­den): Diese Produkte werden in sterilem Zustand verkauft und ge­lie­fert. Eine benannte Stelle muss die Aspekte im Zu­sam­men­hang mit der Her­stel­lung, Si­che­rung und Auf­recht­erhal­tung des sterilen Zustands be­wer­ten. Ein Beispiel wäre ein steriler Verband oder eine sterile Sprit­ze.

- Klasse Im (Pro­duk­te mit einer Mess­funk­ti­on): Jedes Produkt der Klasse I mit einer Mess­funk­ti­on muss genaue Mess­ergeb­nis­se liefern. Eine benannte Stelle ist ver­pflich­tet, die Aspekte der mess­tech­ni­schen An­for­de­run­gen zu be­wer­ten. Bei­spie­le sind Aus­deh­nungs­ther­mo­me­ter und Mess­be­cher.

Klas­se IIa

Klas­se IIa: Produkte dieser Ka­te­go­rie stellen ein mitt­le­res Risiko dar, z. B. Kurz­zeit-Kon­takt­lin­sen, Ernährungspumpen und Po­ly­mer­film-Wund­auf­la­gen. Bei Pro­duk­ten der Klasse IIa wird durch eine von einer be­nann­ten Stelle durchgeführte Konformitätsbewertung si­cher­ge­stellt, dass sie alle re­gu­la­to­ri­schen Kri­te­ri­en erfüllen. Dieses Ver­fah­ren umfasst die Be­wer­tung einer tech­ni­schen Do­ku­men­ta­ti­on, einschließlich einer Be­wer­tung der kli­ni­schen Be­wer­tung, die später in diesem Artikel be­schrie­ben wird.

Klas­se IIb

Klas­se IIb: Produkte der Klasse IIb bergen ein höheres Risiko als Produkte der Klasse IIa, so dass mehr Daten und Analysen er­for­der­lich sind, um ihre Leistung und Si­cher­heit nach­zu­wei­sen. In­fol­ge­des­sen dauert das Konformitätsbewertungsverfahren der be­nann­ten Stelle länger und kann aufgrund der Art des Produkts mehr Ex­per­ten, einschließlich kli­ni­scher Ex­per­ten, ein­be­zie­hen. Typische Bei­spie­le für diese Klasse sind Pro­duk­te, die über einen längeren Zeitraum ver­wen­det werden, wie z. B. Lang­zeit-Kon­takt­lin­sen und Urin­ka­the­ter, Produkte mit kri­ti­schen Funk­tio­nen, wie z. B. Lungenbeatmungsgeräte oder In­fu­si­ons­pum­pen, und Pro­duk­te, die Strah­lung abgeben, wie z. B. the­ra­peu­ti­sche Röntgenquellen.

Klas­se III

Klas­se III: Diese Produkte sind die mit dem höchsten Risiko be­haf­te­ten Produkte und umfassen le­bens­er­hal­ten­de Im­plan­ta­te und Systeme zur Ver­ab­rei­chung von Me­di­ka­men­ten. Bei­spie­le hierfür sind Herz­klap­pen, Herz­schritt­ma­cher oder me­di­ka­men­ten­be­schich­te­te Stents. Produkte der Klasse III müssen die strengs­ten re­gu­la­to­ri­schen An­for­de­run­gen erfüllen, um die größtmögliche Si­cher­heit für Pa­ti­en­ten und Anwender zu gewährleisten.

Für die Erst­zer­ti­fi­zie­rung sind nicht nur mehr Nach­wei­se er­for­der­lich, auch die An­for­de­run­gen der MDR an die Überwachung nach dem In­ver­kehr­brin­gen, das Ri­si­ko­ma­nage­ment und die kli­ni­schen Be­wer­tun­gen steigen mit der Ri­si­koklas­si­fi­zie­rung.

Die Risikoklasse bestimmt die Anforderungen an die klinische Bewertung, den Periodic Safety Update Report (PSUR) und den Summary of Safety and Clinical Performance (SSCP), die eine gründliche Überwachung und Sicherheitsbewertung dieser Produkte gewährleisten. Neben der oben genannten Risikoklasse können sich auch andere Merkmale des Medizinprodukts und seiner Zweckbestimmung auf die gesetzlichen Anforderungen auswirken. Dazu gehören Energiequellen und die Frage, ob die Produkte implantiert werden.

Aktive und Implantierbare Produkte

Aktive Produkte: Produkte, die auf eine Energiequelle angewiesen sind, die nicht vom menschlichen Körper für den Zweck der Schwerkraft erzeugt wird. Aktive Produkte weisen spezifische Risiken im Zusammenhang mit der Energieumwandlung auf, die bei der Klassifizierung des Produkts berücksichtigt werden. Fehler bei der Einstufung können dadurch entstehen, dass nicht aktive Produkte, die als Energieleitung dienen, ohne die Energie zu verändern, wie z. B. einige Elektroden oder faseroptische Geräte, als aktiv eingestuft werden, während aktive Produkte, die auf manuell gespannten Federn oder Elastomerpumpen basieren, fälschlicherweise als nicht aktiv eingestuft werden, da es keine elektrische Energiequelle gibt. Die EU-MDR betrachtet auch Produkte, die vorgespannte Gase und/oder Vakuum verwenden, als aktiv; allerdings vertreten nicht alle Regulierungsbehörden dieselbe Meinung.

Implantierbare Produkte: Implantierbare Produkte bedürfen aufgrund ihrer chirurgisch-invasiven Platzierung und ihrer längerfristigen Verwendung im Körper einer besonderen Berücksichtigung in den Zulassungsverfahren. Zu den zusätzlichen Anforderungen gehört die Bereitstellung einer Implantatkarte und von Informationen für den Patienten. Implantierbare Produkte können in den Klassen IIa, IIb und III vorkommen.

Regulatory Anforderungen

Die Einstufung von Medizinprodukten nach der MDR hat Einfluss auf die regulatorischen Anforderungen und Verpflichtungen, die Hersteller, Bevollmächtigte und Importeure einhalten müssen:

Konformitätsbewertung

Wie bereits erwähnt, können die Her­stel­ler bei Pro­duk­ten der Klasse I die Konformität mit den An­for­de­run­gen selbst be­wer­ten. Für Produkte der Klassen Ir, Im, Is, IIa, IIb und III ist hingegen eine Konformitätsbewertung durch eine benannte Stelle er­for­der­lich, um zu bestätigen, dass die Konformitätserklärung des Her­stel­lers mit den An­for­de­run­gen der MDR übereinstimmt. Bei der Konformitätsbewertung werden die Er­geb­nis­se von Prüfungen gemäß den gel­ten­den Normen für das Produkt berücksichtigt, um einen ob­jek­ti­ven Nachweis zu er­brin­gen, dass das Produkt die gel­ten­den Si­cher­heits- und Leis­tungs­an­for­de­run­gen erfüllt. Der Her­stel­ler legt außerdem kli­ni­sche Daten vor, die in die Überwachung nach dem In­ver­kehr­brin­gen und das Ri­si­ko­ma­nage­ment in­te­griert sind, um ein po­si­ti­ves Nutzen-Risiko-Verhältnis für die Pa­ti­en­ten und Anwender nach­zu­wei­sen. Wenn die An­for­de­run­gen erfüllt sind, kann der Her­stel­ler eine rechts­ver­bind­li­che Konformitätserklärung abgeben und die CE-Kenn­zeich­nung auf seinen Pro­duk­ten an­brin­gen.

Tech­ni­sche Do­ku­men­ta­ti­on

Zu den Daten für die Konformitätsbewertung gehört auch die tech­ni­sche Do­ku­men­ta­ti­on. Dieses ob­li­ga­to­ri­sche und we­sent­li­che Hilfs­mit­tel umfasst unter anderem eine de­tail­lier­te Be­schrei­bung der Pro­dukt­aus­le­gung, der ver­wen­de­ten Ma­te­ria­li­en, der Zweck­be­stim­mung, der Er­geb­nis­se durchgeführter Tests, der Biokompatibilität, der kli­ni­schen Be­wer­tung und der Marktüberwachung. Die tech­ni­sche Do­ku­men­ta­ti­on ist unabhängig davon er­for­der­lich, ob der Her­stel­ler ein Produkt der Klasse I selbst anmeldet oder eine benannte Stelle mit der Durchführung der Konformitätsbewertung be­auf­tragt.

Die Her­stel­ler müssen den zuständigen Behörden der EU aktuelle tech­ni­sche Un­ter­la­gen zur Verfügung stellen, damit diese die Si­cher­heit und Leistung des Produkts bewerten können. Her­stel­ler, die außerhalb der EU ansässig sind, müssen diese Un­ter­la­gen bei ihrem Bevollmächtigten ein­rei­chen und auf­be­wah­ren.

Kli­ni­sche Be­wer­tung und Überwachung nach dem In­ver­kehr­brin­gen

Ei­ne kli­ni­sche Be­wer­tung und Überwachung nach dem In­ver­kehr­brin­gen ist für alle Me­di­zin­pro­duk­te er­for­der­lich, unabhängig von der Ri­si­koklas­se, wobei die An­for­de­run­gen mit stei­gen­der Ri­si­koklas­se zu­neh­men. Die kli­ni­sche Be­wer­tung enthält Nach­wei­se und Schluss­fol­ge­run­gen, die die Si­cher­heit und Leistung des Me­di­zin­pro­dukts belegen. Systeme zur Überwachung nach dem In­ver­kehr­brin­gen sind für alle Produkte er­for­der­lich, um die Leistung unter realen Be­din­gun­gen zu überwachen, Rückmeldungen von An­wen­dern zu sammeln und unerwünschte Er­eig­nis­se zu do­ku­men­tie­ren. Für alle Pro­duk­te, die nicht der Klasse I angehören, sind Fol­ge­stu­di­en und regelmäßige ak­tua­li­sier­te Si­cher­heits­be­rich­te (PSURs) er­for­der­lich; der Umfang der er­for­der­li­chen Daten und die Häufigkeit dieser Berichte nimmt mit der Ri­si­koklas­se zu.

An­lei­tun­gen und Eti­ket­ten

Die Her­stel­ler von Me­di­zin­pro­duk­ten müssen be­stimm­te, in der MDR fest­ge­leg­te Kenn­zeich­nungs­an­for­de­run­gen erfüllen. Dazu gehören grund­le­gen­de In­for­ma­tio­nen wie Pro­dukt­spe­zi­fi­ka­tio­nen, Zweck­be­stim­mung, wichtige Vorsichtsmaßnahmen und etwaige Kon­tra­in­di­ka­tio­nen oder Warn­hin­wei­se, die den An­wen­dern helfen zu ver­ste­hen, wie das Produkt sicher und effektiv zu ver­wen­den ist, um so das Risiko eines Miss­brauchs und möglicher Unfälle zu ver­rin­gern.

Besondere Regeln für Borderline-Produkte

Das Borderline-Dokument der EU-Kommission umreißt zusätzliche Bestimmungen für Produkte, die in verschiedene regulatorische Kategorien fallen können oder einzigartige Merkmale aufweisen, die eine besondere Berücksichtigung erfordern.

Das Borderline-Dokument hilft den Herstellern bei der Bestimmung der geeigneten Klassifizierung und des Regulierungsweges für Produkte, die nicht genau in die Standardkategorien passen. Dazu gehören Produkte mit doppeltem Verwendungszweck, Produkte, die medizinische Substanzen enthalten, und innovative Technologien, die neue Herausforderungen bei der Klassifizierung darstellen.

Ausführlichere Informationen finden Hersteller im Borderline-Dokument der Kommission, das spezifische Leitlinien und Beispiele zur Unterstützung des Klassifizierungsprozesses enthält. Durch das Verständnis und die Anwendung dieser besonderen Vorschriften wird sichergestellt, dass alle Medizinprodukte, einschließlich außergewöhnlicher Produkte, die erforderlichen Sicherheits- und Leistungsstandards erfüllen, wodurch der Marktzugang und die Einhaltung der Vorschriften erleichtert werden.

Unterstützende Links:

- Ausführliche Informationen zur Klassifizierung nach der VO (EU) 2017/745 MDR finden Sie in Anhang VIII: EUR-Lex - 02017R0745-20230320 - DE - EUR-Lex (europa.eu)

- Offizielle Leitlinien zur Einstufung sind im MDCG-Papier 2021-24 zu finden: mdcg_2021-24_en_0.pdf (europa.eu)

CE-Kenn­zeich­nung gemäß der Ver­ord­nung MDR (EU) 2017/745

Haben Sie Fragen zur Er­lan­gung der CE-Kenn­zeich­nung in Europa für Ihr Me­di­zin­pro­dukt gemäß der Ver­ord­nung MDR (EU) 2017/745? Wenden Sie sich an uns, um weitere In­for­ma­tio­nen und Unterstützung zu er­hal­ten.

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Autor
Dr. Murugan Kan­da­sa­my

Ei­ne starke Führungspersönlichkeit mit Fokus auf Menschen und Pro­zes­se, mit etwa 3 Jahr­zehn­ten Er­fah­rung in den Be­rei­chen Fer­ti­gung, Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on, IT, Beratung und Zer­ti­fi­zie­rung.

Kom­pe­ten­zen: GuV-Ma­nage­ment, Be­triebs­ma­nage­ment, Po­si­tio­nie­rung von Dienst­leis­tun­gen, For­schung und Ent­wick­lung von Pro­duk­ten und Tech­no­lo­gien, Ver­trieb, In­no­va­ti­ons­ma­nage­ment, Großkundenmanagement, Fusionen und Übernahmen, Ma­nage­ment mul­ti­kul­tu­rel­ler Team­mit­glie­der, Ent­wick­lung und Um­set­zung von Geschäftsstrategien, Board Go­ver­nan­ce, Business Ex­cel­lence Frame­works, Nach­hal­tig­keits­prak­ti­ker, Six Sigma Master Black Belt, Trainer, Mo­de­ra­tor und Men­tor.

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