MDR-Klassifizierung Criterien: Klasse I, IIa, IIb, III
Im Rahmen der MDR werden Medizinprodukte je nach Verwendungszweck und den damit verbundenen Risiken in vier Risikoklassen eingeteilt. Die Klassifizierungsregeln berücksichtigen Kriterien wie Invasivität, Dauer der Anwendung und potenzielle Schädigung von Patienten oder Anwendern und legen eine Risikoklasse fest. Hier finden Sie eine Aufschlüsselung der einzelnen Klassen:
Klasse I: Zu dieser Gruppe gehören Produkte mit geringem Risiko wie nicht-invasive Produkte, z. B. Krankenhausbetten oder Verbände, oder invasive Werkzeuge, die nur vorübergehend in Körperöffnungen verwendet werden, wie z. B. zahnärztliche Abdruckmaterialien. Produkte der Klasse I können aktiv sein, wie z. B. Untersuchungslampen.
Für viele Produkte der Klasse I ist für die Konformitätserklärung keine Bewertung durch eine benannte Stelle erforderlich. Beispiele hierfür sind medizinische Handschuhe und Zungenspatel.
Die MDCG 2021-24 Guidance on the classification of medical devices (Leitlinien zur Klassifizierung von Medizinprodukten) legt jedoch drei Unterklassen von Produkten der Klasse I fest, für die eine Drittbewertung durch eine benannte Stelle erforderlich ist:
- Klasse Ir (wiederverwendbare chirurgische Instrumente): Diese Produkte (Instrumente) sind dazu bestimmt, nach geeigneten Verfahren zur Reinigung und Sterilisation mehrfach verwendet zu werden. Eine benannte Stelle muss die Aspekte im Zusammenhang mit der Wiederverwendung des Produkts bewerten, insbesondere die Reinigung, Desinfektion, Sterilisation, Wartung und Funktionsprüfung sowie die entsprechenden Gebrauchsanweisungen. Pinzetten oder Skalpelle sind ein Beispiel für diese Unterklasse
- Klasse Is (Produkte, die in sterilem Zustand in den Verkehr gebracht werden): Diese Produkte werden in sterilem Zustand verkauft und geliefert. Eine benannte Stelle muss die Aspekte im Zusammenhang mit der Herstellung, Sicherung und Aufrechterhaltung des sterilen Zustands bewerten. Ein Beispiel wäre ein steriler Verband oder eine sterile Spritze.
- Klasse Im (Produkte mit einer Messfunktion): Jedes Produkt der Klasse I mit einer Messfunktion muss genaue Messergebnisse liefern. Eine benannte Stelle ist verpflichtet, die Aspekte der messtechnischen Anforderungen zu bewerten. Beispiele sind Ausdehnungsthermometer und Messbecher.
Klasse IIa: Produkte dieser Kategorie stellen ein mittleres Risiko dar, z. B. Kurzzeit-Kontaktlinsen, Ernährungspumpen und Polymerfilm-Wundauflagen. Bei Produkten der Klasse IIa wird durch eine von einer benannten Stelle durchgeführte Konformitätsbewertung sichergestellt, dass sie alle regulatorischen Kriterien erfüllen. Dieses Verfahren umfasst die Bewertung einer technischen Dokumentation, einschließlich einer Bewertung der klinischen Bewertung, die später in diesem Artikel beschrieben wird.
Klasse IIb: Produkte der Klasse IIb bergen ein höheres Risiko als Produkte der Klasse IIa, so dass mehr Daten und Analysen erforderlich sind, um ihre Leistung und Sicherheit nachzuweisen. Infolgedessen dauert das Konformitätsbewertungsverfahren der benannten Stelle länger und kann aufgrund der Art des Produkts mehr Experten, einschließlich klinischer Experten, einbeziehen. Typische Beispiele für diese Klasse sind Produkte, die über einen längeren Zeitraum verwendet werden, wie z. B. Langzeit-Kontaktlinsen und Urinkatheter, Produkte mit kritischen Funktionen, wie z. B. Lungenbeatmungsgeräte oder Infusionspumpen, und Produkte, die Strahlung abgeben, wie z. B. therapeutische Röntgenquellen.
Klasse III: Diese Produkte sind die mit dem höchsten Risiko behafteten Produkte und umfassen lebenserhaltende Implantate und Systeme zur Verabreichung von Medikamenten. Beispiele hierfür sind Herzklappen, Herzschrittmacher oder medikamentenbeschichtete Stents. Produkte der Klasse III müssen die strengsten regulatorischen Anforderungen erfüllen, um die größtmögliche Sicherheit für Patienten und Anwender zu gewährleisten.
Für die Erstzertifizierung sind nicht nur mehr Nachweise erforderlich, auch die Anforderungen der MDR an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, das Risikomanagement und die klinischen Bewertungen steigen mit der Risikoklassifizierung.
Die Risikoklasse bestimmt die Anforderungen an die klinische Bewertung, den Periodic Safety Update Report (PSUR) und den Summary of Safety and Clinical Performance (SSCP), die eine gründliche Überwachung und Sicherheitsbewertung dieser Produkte gewährleisten. Neben der oben genannten Risikoklasse können sich auch andere Merkmale des Medizinprodukts und seiner Zweckbestimmung auf die gesetzlichen Anforderungen auswirken. Dazu gehören Energiequellen und die Frage, ob die Produkte implantiert werden.
Aktive und Implantierbare Produkte
Aktive Produkte: Produkte, die auf eine Energiequelle angewiesen sind, die nicht vom menschlichen Körper für den Zweck der Schwerkraft erzeugt wird. Aktive Produkte weisen spezifische Risiken im Zusammenhang mit der Energieumwandlung auf, die bei der Klassifizierung des Produkts berücksichtigt werden. Fehler bei der Einstufung können dadurch entstehen, dass nicht aktive Produkte, die als Energieleitung dienen, ohne die Energie zu verändern, wie z. B. einige Elektroden oder faseroptische Geräte, als aktiv eingestuft werden, während aktive Produkte, die auf manuell gespannten Federn oder Elastomerpumpen basieren, fälschlicherweise als nicht aktiv eingestuft werden, da es keine elektrische Energiequelle gibt. Die EU-MDR betrachtet auch Produkte, die vorgespannte Gase und/oder Vakuum verwenden, als aktiv; allerdings vertreten nicht alle Regulierungsbehörden dieselbe Meinung.
Implantierbare Produkte: Implantierbare Produkte bedürfen aufgrund ihrer chirurgisch-invasiven Platzierung und ihrer längerfristigen Verwendung im Körper einer besonderen Berücksichtigung in den Zulassungsverfahren. Zu den zusätzlichen Anforderungen gehört die Bereitstellung einer Implantatkarte und von Informationen für den Patienten. Implantierbare Produkte können in den Klassen IIa, IIb und III vorkommen.
Regulatory Anforderungen
Die Einstufung von Medizinprodukten nach der MDR hat Einfluss auf die regulatorischen Anforderungen und Verpflichtungen, die Hersteller, Bevollmächtigte und Importeure einhalten müssen:
Konformitätsbewertung
Wie bereits erwähnt, können die Hersteller bei Produkten der Klasse I die Konformität mit den Anforderungen selbst bewerten. Für Produkte der Klassen Ir, Im, Is, IIa, IIb und III ist hingegen eine Konformitätsbewertung durch eine benannte Stelle erforderlich, um zu bestätigen, dass die Konformitätserklärung des Herstellers mit den Anforderungen der MDR übereinstimmt. Bei der Konformitätsbewertung werden die Ergebnisse von Prüfungen gemäß den geltenden Normen für das Produkt berücksichtigt, um einen objektiven Nachweis zu erbringen, dass das Produkt die geltenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt. Der Hersteller legt außerdem klinische Daten vor, die in die Überwachung nach dem Inverkehrbringen und das Risikomanagement integriert sind, um ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis für die Patienten und Anwender nachzuweisen. Wenn die Anforderungen erfüllt sind, kann der Hersteller eine rechtsverbindliche Konformitätserklärung abgeben und die CE-Kennzeichnung auf seinen Produkten anbringen.
Technische Dokumentation
Zu den Daten für die Konformitätsbewertung gehört auch die technische Dokumentation. Dieses obligatorische und wesentliche Hilfsmittel umfasst unter anderem eine detaillierte Beschreibung der Produktauslegung, der verwendeten Materialien, der Zweckbestimmung, der Ergebnisse durchgeführter Tests, der Biokompatibilität, der klinischen Bewertung und der Marktüberwachung. Die technische Dokumentation ist unabhängig davon erforderlich, ob der Hersteller ein Produkt der Klasse I selbst anmeldet oder eine benannte Stelle mit der Durchführung der Konformitätsbewertung beauftragt.
Die Hersteller müssen den zuständigen Behörden der EU aktuelle technische Unterlagen zur Verfügung stellen, damit diese die Sicherheit und Leistung des Produkts bewerten können. Hersteller, die außerhalb der EU ansässig sind, müssen diese Unterlagen bei ihrem Bevollmächtigten einreichen und aufbewahren.
Klinische Bewertung und Überwachung nach dem Inverkehrbringen
Eine klinische Bewertung und Überwachung nach dem Inverkehrbringen ist für alle Medizinprodukte erforderlich, unabhängig von der Risikoklasse, wobei die Anforderungen mit steigender Risikoklasse zunehmen. Die klinische Bewertung enthält Nachweise und Schlussfolgerungen, die die Sicherheit und Leistung des Medizinprodukts belegen. Systeme zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen sind für alle Produkte erforderlich, um die Leistung unter realen Bedingungen zu überwachen, Rückmeldungen von Anwendern zu sammeln und unerwünschte Ereignisse zu dokumentieren. Für alle Produkte, die nicht der Klasse I angehören, sind Folgestudien und regelmäßige aktualisierte Sicherheitsberichte (PSURs) erforderlich; der Umfang der erforderlichen Daten und die Häufigkeit dieser Berichte nimmt mit der Risikoklasse zu.
Anleitungen und Etiketten
Die Hersteller von Medizinprodukten müssen bestimmte, in der MDR festgelegte Kennzeichnungsanforderungen erfüllen. Dazu gehören grundlegende Informationen wie Produktspezifikationen, Zweckbestimmung, wichtige Vorsichtsmaßnahmen und etwaige Kontraindikationen oder Warnhinweise, die den Anwendern helfen zu verstehen, wie das Produkt sicher und effektiv zu verwenden ist, um so das Risiko eines Missbrauchs und möglicher Unfälle zu verringern.
Besondere Regeln für Borderline-Produkte
Das Borderline-Dokument der EU-Kommission umreißt zusätzliche Bestimmungen für Produkte, die in verschiedene regulatorische Kategorien fallen können oder einzigartige Merkmale aufweisen, die eine besondere Berücksichtigung erfordern.
Das Borderline-Dokument hilft den Herstellern bei der Bestimmung der geeigneten Klassifizierung und des Regulierungsweges für Produkte, die nicht genau in die Standardkategorien passen. Dazu gehören Produkte mit doppeltem Verwendungszweck, Produkte, die medizinische Substanzen enthalten, und innovative Technologien, die neue Herausforderungen bei der Klassifizierung darstellen.
Ausführlichere Informationen finden Hersteller im Borderline-Dokument der Kommission, das spezifische Leitlinien und Beispiele zur Unterstützung des Klassifizierungsprozesses enthält. Durch das Verständnis und die Anwendung dieser besonderen Vorschriften wird sichergestellt, dass alle Medizinprodukte, einschließlich außergewöhnlicher Produkte, die erforderlichen Sicherheits- und Leistungsstandards erfüllen, wodurch der Marktzugang und die Einhaltung der Vorschriften erleichtert werden.
Unterstützende Links:
- Ausführliche Informationen zur Klassifizierung nach der VO (EU) 2017/745 MDR finden Sie in Anhang VIII: EUR-Lex - 02017R0745-20230320 - DE - EUR-Lex (europa.eu)
- Offizielle Leitlinien zur Einstufung sind im MDCG-Papier 2021-24 zu finden: mdcg_2021-24_en_0.pdf (europa.eu)
CE-Kennzeichnung gemäß der Verordnung MDR (EU) 2017/745
Haben Sie Fragen zur Erlangung der CE-Kennzeichnung in Europa für Ihr Medizinprodukt gemäß der Verordnung MDR (EU) 2017/745? Wenden Sie sich an uns, um weitere Informationen und Unterstützung zu erhalten.
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Dr. Murugan Kandasamy
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